Geschichte

Die Gemeinde besteht heute aus sechs Ortsteilen, die jeweils ihre eigene Geschichte haben.

Das Dorf Gehrde entstand nach der Gründung der Kirche in der ersten Hälfte des 13. Jhs.. Die ersten Häuser standen um den Kirchhof herum und entlang der Feldstraße, die Kirche und Gehrder Burg miteinander verband. Die Gehrder Burg, die vielleicht schon im 10. Jh. bestanden hat, war ein „Gräftenhof“ mit zwei wasserumgebenden Inseln. Zu diesem Hof gehörte später auch eine Mühle. Diese Anlage stand beim heutigen Hof „Gehrke-Torborg“, südwestlich des heutigen Ortskerns. An dem Verbindungsweg von „Burg“ und Kirche sind die ersten Häuser 1359 nachzuweisen. An der östlichen Seite standen acht kleinere Gehöfte (Wörden), die – ebenso wie die Gehrder Burg und ein Teil der Häuser auf dem Kirchhof – Lehngüter des Bischofs von Münster waren. Vor dem 30 Jährigen Krieg bestand das eigentliche Dorf aus etwa zwanzig Häusern. Erst im 17. Jh. entwickelte sich die Bebauung entlang der Langen Straße.

Im 19. Jh. kamen an der Lindenstraße nach Groß Drehle und der „Blumenhalle“ nach Rüsfort noch einige Häuser dazu. Erst seit 1970 wurde eine Reihe von Bebauungsgebieten neu erschlossen, so dass das Dorf Gehrde heute weit in die ehemalige Feldmark der früheren Bauernschaften Gehrde und Rüsfort hineinragt.

Der Kern der früheren Bauernschaft Gehrde lag an der Straße zur Schevenriede. Heute stehen hier nur noch wenige Häuser. Es erinnert nichts daran, dass hier die Altsiedlung Gehrde mit ca. fünf Höfen stand. Diese Altsiedlung wurde schon 977 urkundlich erwähnt. Die sich anschließende Siedlung der „Schevenriede“ mit ihren ansehnlichen Fachwerkhäusern ist dagegen sehr viel jünger. Sie entstand als Markkottensiedlung im 15. Jh. Ähnlich ist es mit der an der Straße nach Groß Drehle liegenden Siedlung „Königsort“. Der Name hat genauso wenig mit einem König zu tun, wie die Häusergruppe die, an der Straße nach Bersenbrück liegend, den Namen „Kaiserort“ führt, mit einem Kaiser. Beide Namen rühren von Personennamen her (Koning und Keiser).

Südlich an Gehrde schließt sich der Ortsteil Groß Drehle an. Er besteht aus zwei Häusergruppen. Im Norden liegt die Drehler Markkottensiedlung „Im Moor“, im Süden der alte Siedlungskern, der ebenfalls schon 977 Erwähnung gefunden hat. In Drehle hat es auch eine Burg gegeben. Sie lag wahrscheinlich in Nähe der alten Gaugrenze, an die heute noch ein Stein erinnert. Möglicherweise ist es dieser Gräftenhof gewesen, in dem der deutsche Kaiser Otto der Große 973 eine Urkunde unterzeichnete. In Groß Drehle gab es auch eine Wassermühle. Die Flurbezeichnung „Mühlenstätte“ erinnert noch daran.

Südlich von Groß Drehle schließt sich Ortsteil Klein Drehle an. Er wird im 12. Jh. von Drehle aus besiedelt worden sein, ist aber bei der Gründung des Kirchspiels Gehrde beim Mutterkirchspiel Neuenkirchen geblieben. Erst 1817 kam dieser Ortsteil endgültig zur Gemeinde Gehrde. Auch in Klein Drehle hat es eine Wassermühle gegeben (Trimpemole). Groß- und Klein Drehle gehörten früher zur Desenberger Mark und gerichtlich (weltlich u. kirchlich) nach Damme. Das übrige Kirchspiel unterstand bis in das 19. Jh. Ankum.

Zur Desenberger Mark gehörten übrigens auch einige Höfe des am nördlichen Ende liegenden Ortsteils Helle. Dieser Ortsteil wurde ähnlich wie Klein Drehle im 12. Jh. angelegt. Er lag durch eine sumpfige Niederung vom übrigen Kirchspiel getrennt. Ein Teil seiner Höfe gehörte dem Kloster Bersenbrück, das den am weitesten östlich liegenden Hof Twelbeck zu einem steuerfreien Wirtschaftshof machte (Uthof), der besonderen Bedingungen unterworfen war. Helle war durch Hochwasser so häufig von der Außenwelt abgeschnitten, so dass ein eigener Friedhof angelegt werden musste. Auch bestand dort eine eigene Schule. Dies gilt übrigens auch für Groß Drehle. Die Verkehrsverbindungen war häufig so schlecht, das man die Hase und die verschiedenen Bäche nur unter Lebensgefahr passieren konnte.

Von einer solchen Furt durch die Hase hat der Ortsteil Rüsfort seinen Namen. Die Furt lag westlich des Hofes Weglage, dessen Name sich dadurch leicht erklärt. Über diesen Weg mögen auch im Jahre 886 versprengte Wikinger gekommen sein, die damals Rüsfort plünderten. Die Altsiedlung lag nordöstlich am „Roten Haus“. Im Hochmittelalter dehnte sich die Siedlung nach Osten aus. Es wurde der Schultenhof gegründet und anschließend der „Ort“. Der Begriff „Ort“ hat nichts mit dem heutigen Wortsinn zu tun. Er bedeutet etwa „im hintersten Winkel“. In Rüsfort gibt es auch Markkottensiedlungen: die „Neustadt“ und der „Fif-Hüsken-Ort“. Auch diese Siedlungen sind erst im 15. u. 16. Jh. entstanden. In Rüsfort gab es schließlich noch zwei Herrensitze. Der älteste aus dem 13. Jh. ist ein steinerner Wohnturm auf dem Hofe Schöneberg(Klages). Der jüngere ist das Gut Merlage, das vom schwedischen Vogt 1641 gegründet wurde, aber keine baulichen Besonderheiten aufweist. Seit eh und je waren Rüsfort und Gehrde so etwas wie siamesische Zwillinge. Im Dorf Gehrde ließ sich nie durch Augenschein ermitteln, wo die Grenze zwischen beiden verläuft. Früher gehörte selbst der nördliche Teil des Kirchhofs einschließlich des heutigen Gemeindebüros zu Rüsfort. Der Gedenkstein gegenüber dieser renovierten Fachwerkscheune erinnert an die mehr als tausendjährige Geschichte, von denen die Bürger von Gehrde noch viel Geschichten erzählen können.

Bis 1950 waren die Bauernschaften wirtschaftlich viel bedeutender als das kleine Dorf Gehrde, das natürlich von der Bauernschaft Gehrde kommunal getrennt war.

Die Siedlungen Groß Drehle, Gehrde und Rüsfort lassen sich bis 977 zurückführen, allerdings damals lediglich als unselbständige Außenstellen des Haupthofes an der Langen Straße. Erst seit 1200 treten wirtschaftlich selbständige Höfe auf. Durch Teilungen wuchs die Zahl der Höfe – immer mehr Land wurde unter den Pflug genommen. Bei der Ausweitung der Besiedlung entstand so Klein Drehle und zuletzt Helle. .

Als die Gehrde Kirche 1221/24 erbaut wurde, gab es (ohne Klein Drehle, das kirchlich und kommunal erst 1816 zu Gehrde kam) etwa 40 Höfe. Das war die Mindestzahl für die Gründung einer Kirchengemeinde. Die Zahl der Höfe vervierfachte sich dann in den nächsten drei Jahrhunderten. Danach gab es kaum noch Neugründungen oder Teilungen. Die wachsende Bevölkerung musste – soweit sie nicht als Knechte und Mägde arbeitete – als Heuerlinge in kleinen Nebenhäusern, Backhäusern, ja sogar Erdhütten unterkommen. Viele dieser Heuerlinge fanden Lohn und Brot in Holland beim Grasmähen und Torfstechen. Andere gingen, insbesondere im 18.Jahrhundert, zur See.

Viele auf Walfangschiffe, aber auch in der niederländischen Handelsschiffahrt kam man bis Ostasien und Südamerika. Gerhard Twelbeck, der 1936 die Gehrder Kirchenbücher abgeschrieben hat, meinte, es käme einem beim Lesen der Sterberegister so vor, als ob Gehrde an der Küste läge, so viele Seeleute wurden erwähnt.

Nach 1830 begann dann die Auswanderung nach Nordamerika. Aus der Gemeinde Gehrde wanderte etwa ein Drittel der Bevölkerung aus. Zuerst waren es die kleinen Leute, Knechte, Mägde, Heuerleute. Dann die Kinder der großen Höfe und schließlich wurden auch größere Höfe von ihren Besitzern verkauft (z.B. Kermann, Möddelmann, Kerhoff, Merlage), um in die USA auszuwandern.

In New York gründete sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der „Gehrder Freundschaftbund“. Und als der tatkräftige Gehrder Bürgermeister G.R. Twelbeck 1852 die erste Mähmaschine, die in Deutschland eingesetzt wurde, in Chicago bei McCormick kaufte, war es für ihn kein Problem, das Geld nach Chicago bringen zu lassen. Regelmäßig fuhren Personen in die USA, um Verwandte und Bekannte zu besuchen. Heute dagegen kommen immer wieder Amerikaner nach Gehrde, die hier nach Spuren ihrer Vorfahren suchen.

Im 20. Jahrhundert nahm die Auswanderung nach Amerika ab, manche zogen nun auch nach Osten (z.B. in die Provinz Posen). Ab 1945 kamen dann einige Hunderte an Vertriebenen und Flüchtlingen und aus den zerbombten Städten internierte Personen nach Gehrde. Viele von ihnen sind hier geblieben, obwohl die ersten Jahre nicht einfach waren. Man fand Anschluss z.B. bei zahlreichen Gehrder Vereinen, die auch heute noch das dörfliche Leben entscheidend mitprägen.