Kategorien
4. Juli 2024   |   SGBSB

Historische und bewegende Momente beim Jugendaustausch in Ruma

Jugendliche erforschen deutsche Geschichte in Serbien

Der Jugendaustausch zwischen der Samtgemeinde Bersenbrück und der serbischen Partnerstadt Ruma in der Region Novi Sad war auch in diesem Sommer für die Teilnehmenden ein besonderes Erlebnis. Historische Zusammenhänge, persönliche Erinnerungen und grenzenübergreifende Freundschaften prägten eine Woche lang die Erlebnisse der Reisegruppe aus dem Osnabrücker Nordland.

Bereits im neunten Jahr organisiert der Verein Brücken bauen e.V. diesen Jugendaustausch, an dem 15 Jugendliche teilnahmen, um Serbien und seine Kultur kennenzulernen.

Dr. Željko Dragić, Vorsitzender des Vereins, selbst mit Wurzeln aus dem Balkan, jüdischen Glaubens und in Hannover geboren, war auch in diesem Sommer als Mittler zwischen den Kulturen und Dolmetscher dabei und schilderte rückblickend seine Eindrücke.

In diesem Jahr war die deutsche Geschichte in Serbien Schwerpunktthema des Austausches. Die Gruppe besuchte das Deutsche Museum in der serbischen Stadt Sombor. Bei der letzten Volkszählung der etwa 60.000 Einwohner zählenden Stadt identifizieren sich 339 Personen als Donauschwaben. Es wird jedoch vermutet, dass die tatsächliche Zahl höher ist, da sich viele möglicherweise als Serben oder einer anderen Volksgruppe deklarieren, berichtete Dragić.

Für die jungen Deutschen war es wichtig zu erfahren, dass die deutsche Geschichte und Kultur in Serbien seit 300 Jahren besteht und ein fester Bestandteil der regionalen Identität ist – ein Thema, das in deutschen Medien und Schulbüchern kaum behandelt wird. Željko Dragić betont die Bedeutung des Abbaus von Vorurteilen. So lehrt er bereits seine sechsjährige Tochter Greta, dass sie die Zukunft Europas ist und dass Verständnis und Frieden nur durch den Abbau von Vorurteilen erreicht werden können.

Teodora Radosavljevic aus Ruma und Leona Kröger aus Alfhausen wissen, was Freundschaft über Grenzen hinweg bedeutet, egal wie man es schreibt.

In einer Zeit, in der Polarisierung und plakative Darstellungen zunehmen, ist es besonders wichtig, Brücken zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen zu bauen. Gerade die lange, nicht immer einfache Geschichte zwischen Deutschland und Serbien – geprägt durch die Ereignisse des Ersten und Zweiten Weltkriegs – macht deutlich, wie wichtig solche Austauschprogramme sind.

Durch den Nationalsozialismus sind während des Zweiten Weltkriegs viele Menschen im damaligen Königreich Jugoslawien, insbesondere jüdische und serbische Volksgruppen, ermordet worden. Nach 1944, als Teile Nordserbiens von Partisanen und der Roten Armee befreit wurden, kam es im Gegenzug zu Racheakten gegen die deutsche Bevölkerung, insbesondere gegen die Donauschwaben.

Der 24-jährige Christian Rieffel aus Alfhausen reiste bereits zum vierten Mal nach Serbien und fasste die einwöchige Reise so zusammen: „Wir sind die Zukunft. Wir sind junge Menschen, die sich nicht von falschen Informationen beeinflussen lassen. Wir wollen Brücken bauen zwischen verschiedenen Kulturen und Serbien und Deutschland sollen Vorreiter sein, anstatt in Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen.“

Zum wiederholten Male fuhr auch Elisabeth Middelschulte, pensionierte Lehrerin und aktive Kommunalpolitikerin mit, die dazu beiträgt, dass die deutsch-serbische Partnerschaft aktiv gelebt wird, betont Dragić.

Željko Dragić und Josef Weissmann vor dem Ortsschild von Sarca, wo die Familie Weissmann bis zum Kriegsende beheimatet war.

Der 73-jährige Josef Weissmann aus Bersenbrück begleitete die Gruppe ebenfalls. Er fand das Haus seines Vaters, eines Donauschwaben, im Dorf Sarca/Sutjeska wieder, der in die Klinker eingelassene Name Weissmann ist immer noch lesbar. Der heutige Besitzer Milutin Mandić wurde dort 1945 nach dem Krieg angesiedelt. Er umarmte Weissmann herzlich und sprach positiv über dessen Großvater. Das zeige eindrucksvoll, dass Verständnis und Frieden durch persönlichen Austausch und gegenseitigen Respekt gefördert werden können, lautete Dragićs Fazit aus dieser Begegnung.

„Nur durch den Austausch und das gegenseitige Kennenlernen können wir eine bessere Zukunft schaffen. Es ist essentiell, dass solche Programme weiterhin unterstützt werden“, betont Željko Dragić die Bedeutung des Jugendaustausches und fügt hinzu: „Völkerverständigung beginnt mit dem Willen, Brücken zu bauen, wo andere Mauern sehen.“

Der Verein Brücken bauen wird im Laufe des Jahres weitere Veranstaltungen organisieren, darunter eine zur deutschen Geschichte in Serbien. Eine Homepage ist derzeit in Arbeit, um mehr über diese Geschichte zu informieren und den Austausch weiter zu fördern.

Text: Dr. Željko Dragić und Samtgemeinde Bersenbrück

Fotos: Verein Brücken bauen